ALMA beobachtet hunderte Scheiben, in denen sich Planeten bilden
Eine Gruppe von Astronomen, darunter Alvaro Hacar vom Institut für Astrophysik der Universität Wien, hat die Massenverteilung von über 870 Planeten-bildenden Scheiben in der Orion-A-Wolke analysiert. Diese beispiellos große Stichprobe von Scheiben ermöglichte eine statistische Beschreibung ihrer Eigenschaften unter Verwendung eines innovativen Datenverarbeitungsschemas. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Planeten-bildende Scheiben und Planetensysteme, zumindest bis zu einer Entfernung von 1000 Lichtjahren, typischerweise auf ähnliche Weise entwickeln.
Diese Studie ermöglicht es die Frage ins Licht zu rücken, wie wahrscheinlich es ist, dass sich andere Planetensysteme auf ähnliche Weise wie unser eigenes Sonnensystem entwickeln.
"Bisher wussten wir nicht genau, welche Eigenschaften die Entwicklung von Planetenscheiben um junge Sterne dominieren", sagt Sierk van Terwisga, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und Hauptautor des heute in Astronomy & Astrophysics veröffentlichten Artikels.
Die Scheibenmasse ist der Schlüssel bei der Untersuchung der Entwicklung von Planeten bildenden Scheiben, da sie bestimmt, wie viel Material für die Bildung von Planeten verfügbar ist. Diese Größe hängt von internen Scheibeneigenschaften wie Alter, chemischer Zusammensetzung oder der Dynamik der ursprünglichen Wolke ab, aus der die jungen Sterne mit ihren Scheiben hervorgegangen sind.
Um die verschiedenen Beiträge zu entschlüsseln, wählte das Astronomenteam eine große und bekannte Region junger Sterne mit Scheiben, die Orion-A-Wolke, die etwa 1350 Lichtjahre von der Erde entfernt ist.
"Die statistische Aussagekraft unserer Aufnahmen von 873 Scheiben um junge Sterne war entscheidend, um kleine Variationen in der Scheibenmasse in Abhängigkeit vom Alter und sogar von den lokalen Umgebungen innerhalb der Orion-A-Wolke zu erkennen", erklärt Alvaro Hacar, Mitautor und Wissenschaftler an der Universität Wien.
Die für die Messung der Scheibenmassen erforderlichen Beobachtungen wurden mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) auf dem Chajnantor Plateau in der chilenischen Atacama-Wüste durchgeführt. ALMA besteht aus 66 parabolischen Antennen, die wie ein einziges Teleskop funktionieren. Die Wissenschaftler haben einen Beobachtungsmodus angewendet, in dem sie jede Scheibe bei einer Wellenlänge von etwa 1.2 Millimetern aufgenommen haben, in diesem Spektralbereich werden kalte Scheiben hell.
Das Kombinieren und die Kalibrierung der Daten von mehreren Dutzend ALMA-Teleskopen ist eine herausfordernde Aufgabe. Bei einem so großen Datensatz hätte es nach dem Standardverfahren Monate gedauert. Das Team entwickelte ein neues Verfahren zur Datenreduktion, das sich paralleles Rechnen zu Nutze macht.
"Unser neuer Ansatz verbesserte die Verarbeitungsgeschwindigkeit um den Faktor 900", erklärt Mitautor Raymond Oonk vom kooperierenden IT-Dienstleister SURF.
Es dauerte weniger als einen Tag für die erforderlichen 3000 CPU-Stunden, um die Berechnung zu beenden und die Daten für die anschließende Analyse vorzubereiten!
Mit diesem Ansatz konnten die Astronomen die Staubmassen der Scheiben bestimmen. Insgesamt belaufen sich die Staubmassen der Orion-A-Scheiben, die Planeten bilden, auf einige hundert Erdmassen. Von den 873 Scheiben, sind jedoch nur 20 solche, die gleich oder mehr als hundert Erdmassen Staub enthalten. Es gibt weniger Scheiben mit höheren Massen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass ältere Scheiben, ebenfalls weniger Masse enthalten. Dies ist nicht überraschend, da einer der Hauptgründe, warum sich der Staub in der Scheibe reduziert, die Planetenentstehung ist. Diese große Stichprobe von Scheiben zeigt eine sehr starke Abhängigkeit der Scheibenmasse vom Alter, was auf eine ähnliche Entwicklung bei planetenbildenden Scheiben hindeutet.
"Die beispiellose Größe unserer neuen ALMA Aufnahmen, die größer ist als alle bisherigen Durchmusterungen zusammen, öffnet ein neues Fenster zur Untersuchung der Entstehung und Entwicklung ganzer Scheibenpopulationen auf der Größenskalar von Wolken", bemerkt Alvaro Hacar.
Zusätzliche Information
Das Team besteht aus S.E. van Terwisga (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), A. Hacar (Institut für Astrophysik, Universität Wien, Österreich), E.F. van Dishoeck (Leidener Observatorium, Universität Leiden, Niederlande [LObs]; Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching bei München, Deutschland), R. Oonk (SURF, Leiden, Niederlande; LObs; Niederländisches Institut für Radioastronomie (ASTRON), Dwingeloo, Niederlande), und S. Portegies Zwart (LObs).
Das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) ist eine Partnerschaft zwischen der Europäischen Südsternwarte (ESO), der U.S. National Science Foundation (NSF) und den National Institutes of Natural Sciences (NINS) von Japan in Zusammenarbeit mit der Republik Chile. ALMA wird von der ESO im Namen ihrer Mitgliedstaaten, von der NSF in Zusammenarbeit mit dem National Research Council of Canada (NRC) und dem National Science Council of Taiwan (NSC) und vom NINS in Zusammenarbeit mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan und dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI) finanziert.
Wissenschaftlicher Kontakt
Assoz. Prof. Dr. Alvaro Hacar Gonzalez, MA
Türkenschanzstraße 17 (Sternwarte)
1180 Wien
Zimmer: 002.4
Links
SODA Webseite: https://emerge.univie.ac.at/results/soda-survey/
SURF Webseite: https://www.surf.nl/en
ALMA Webseite: https://www.eso.org/public/teles-instr/alma/
Alvaro Hacar Website: https://www.alvarohacar.com/
MPIA Pressemeldung: www.mpia.de/news/science/2022-07-soda
UniWien Pressemeldung: https://medienportal.univie.ac.at/presse/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/planetenentwicklung-verlaeuft-ueberraschend-aehnlich/
Originalartikel
S.E. van Terwisga et al., “Survey of Orion Disks with ALMA (SODA). I: Cloud-level demographics of 873 protoplanetary disks”, Astronomy & Astrophysics (2022). DOI: