Extragalaktische Astrophysik: Vermessung des Universums

Schon einmal davon gehört, dass unsere Milchstraße eine Billion Mal mehr wiegt als unsere Sonne? Woher wissen wir das? Haben wir die Milchstraße auf eine Waage gestellt? Nein, leider nicht, solche Waagen gibt es nicht. Trotzdem gibt es Mittel und Wege, wie man Galaxien wiegen kann. Es waren diese Methoden, die es Prof. Ziegler vor mehr als zwanzig Jahren angetan haben und ihn auf den Weg der Extragalaktik geführt haben. Mit seiner Arbeit begann er am FORS-Instrument (ein Spektrograph, der das ausgesendete Licht von Himmelskörper aufzeichnet) am Very Large Telescope (VLT, dt: sehr großes Teleskop), wo er sich die Kinematik und Dynamik – Studium über das Bewegungsverhalten unter dem Einfluss der Anziehungskraft – von Galaxien widmete. Heute leitet er die Forschungsgruppe zur Extragalaktik am Institut für Astrophysik an der Uni Wien.

Die Gruppe beschäftigt sich mit der Natur der Galaxien. Gab es plötzlich viele Sterne und entstanden Galaxien auf einmal oder gab es Phasen starker Sternentstehung, sogenannte Starbursts? Galaxien stehen übrigens nie still. Sie bewegen sich und entwickeln sich, dabei verändern sie ihr Erscheinungsbild. Außerdem leben Galaxien in verschiedenen Umgebungen; manche sind einsam ganz ohne Nachbarn, andere finden sich in Gruppen und Haufen zusammen. Davon abhängig ist ihre Entwicklung. Sie können verschmelzen (merger), ihr Gas durch Annäherungen (fly-bys) verlieren, manche stürzen in Haufen, wobei sie ebenso kein Gas mehr haben und damit keine Sterne mehr entstehen lassen können. Galaxienevolution braucht viele Milliarden Jahre, eine volle Entwicklung können wir also nicht miterleben.

Galaxienhaufen Abell S1063. Bild: ESA, NASA & M. Montes

Welche Methoden gibt es, um diese Prozesse von astronomisch langer Zeit beobachten zu können? In unserem Universum gibt es unfassbar viele Galaxien, die von hochtechnologischen Teleskopen in Schnappschüssen aufgenommen werden können und zwar in jeder möglichen Entwicklungsstufe. Mithilfe der Photometrie oder direct imaging können hierfür aus den aufgenommen Bildern Daten gewonnen werden. Die Aufnahmen werden mit optischen, erdgebundenen Teleskopen, wie zum Beispiel mit dem VLT, oder Weltraumteleskopen (Hubble-Teleskop) gemacht und zeigen Galaxien in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung. Die Zusammensetzung aus Sternen, Gas und Staub verändert sich, die Messungen dazu geben Hinweise auf die Transformation und die ablaufenden Prozesse. Waren sie heftig, wie heftig, gab es Wechselwirkungen zwischen zwei Galaxien, war das in einem Haufen oder einer Gruppe? Zusätzlich dazu gibt es, wie schon am Anfang von Prof. Zieglers Forschung, Spektren von hochmodernen Spektrographen. Sie bieten genauere Informationen über viele astronomische Objekte. Durch die Analyse des ausgesendeten Lichts von Galaxien, kann man damit die Bewegungen ihrer Komponenten untersuchen: Wie Sterne entstehen oder welche Eigenschaften das vorhandene Gas hat. Mithilfe dieser Beobachtungen wird das Bild über die Struktur, die Anzahl der Sterne, der Kinematik und Dynamik, die eine Galaxie beeinflussen, klarer. Außerdem helfen sie Astronom:innen, wie der Extragalaktik-Gruppe in Wien, die stattfindenden Prozesse besser zu verstehen.

Um diese Beobachtungen durchführen zu können, hat die Gruppe hohe Ansprüche an die Technologie, vor allem Teleskope und Satelliten mit ihren dazugehörigen Geräten. Die Ergebnisse liefern einen Einblick in die Entwicklungsprozesse von Galaxien und wie diese die Sterne in ihnen beeinflussen. Ebenso wie die Gruppe mit ihren Erkenntnissen neue Blickwinkel auf die Unterschiede von Galaxientransformationen in Haufen oder Gruppen bietet, stützt sie sich auf Resultate aus anderen Bereichen der Astronomie, zum Beispiel über Sternentstehung und das Interstellare Medium.

Neben dem Studium von großen Galaxien, zu denen auch unsere Milchstraße gehört, möchte Prof. Zieglers Gruppe sich auch kleineren, masseärmeren Zwerggalaxien widmen. Über diese ist bisher noch weniger bekannt. Eine spannende Eigenschaft ist ihr hoher Anteil an Dunkler Materie, die wir zwar nicht sehen können, aber wir beobachten ihren gravitativen Einfluss. Sie spielt eine große Rolle in der Entwicklung des Universums, da sie für den höchsten Teil an Masse einsteht. Infolgedessen beeinflusst sie auch Galaxien. Die Struktur des heutigen Universums ist uns wohlbekannt, allerdings wird dieses Bild immer verschwommener, je weiter wir in der Zeit zurückblicken. Zusätzlich zu Zwerggalaxien und Dunkler Materie, möchte die Extragalaktik-Gruppe ihr Forschungsfeld hin zu früheren Zeiten, und damit zum Urknall, erweitern.

Geschrieben von Sanje Fenkart